Dallmeier macht einen Riesensprung (2024)

Ein Spiel ist es nur für die Gäste. Für alle anderen ist es ein beinhartes Geschäft: In den Casinos dieser Welt werden täglich Abermilliarden Euro umgesetzt. Die Betreiber müssen alles im Griff und damit auch im Blick haben. Damit sie das schaffen, setzen sie zunehmend Technologie und Know-how aus Regensburg ein. Dallmeier Electronic ist nach Angaben seines Gründers und Besitzers Dieter Dallmeier heute die Nummer eins in den High-Level-Casinos der Welt. Er liefert eine Rund-um-Video-Sicherheitslösung, von den Kameras über die Bildspeicherung, -analyse, -übertragung, -verarbeitung und das Management der Daten. Schummeln und Tricksen an den Spieltischen sei damit unmöglich, Streitereien, ob das „rien ne vas plus“ des Croupiers, das er mit einer Handbewegung begleitet, vor oder nach dem Einsatz ausgesprochen wurde, sind so eindeutig zu klären.

Die großen Casinos stehen heute in Fernost. Macao ist ganz dick im Geschäft und Dallmeier mittendrin. Auch in den USA haben die Regensburger Fuß gefasst, obwohl das sehr lange gedauert hat, erinnert sich Dieter Dallmeier. Der Wettbewerb sei hart, neben Bosch und Siemens vor allem durch US-amerikanische und asiatische Unternehmen. Doch mit seinem ganzheitlichen Ansatz habe sich Dallmeier als High-End-Anbieter und Maßschneiderer individueller Lösungen etablieren können.

Bei Casinos mitten im Spiel

30 bis 40 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet das Unternehmen mit Casinos. Es läuft gut. So gut, dass Dieter Dallmeier nun gleich das ganze Gebäude erworben hat, in dem die Firma bislang als Mieter saß. Das Gebäude ist das imposante, 217 Meter lange ehemalige Post-Bauwerk direkt neben dem Regensburger Hauptbahnhof. In den vergangenen Jahren gehörte es einem kanadischen Rentenfonds. Auf 22 Millionen Euro beziffert Dallmeier die Gesamtinvestition. Darin eingerechnet sind bereits Erweiterungen der eigenen Produktion, die gerade auf rund 12000 Quadratmeter verdoppelt wird. Fast noch einmal so viel Fläche wird von anderen Mietern (u.a. Bahn, Post, Postbank, eine Fitnesskette) genutzt. Eine Million Euro hat das Bayerische Wirtschaftsministerium draufgelegt, eine Förderung wegen der nachhaltigen Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Region. Dazu gab es viel Lob und eine Urkunde aus den Händen von Ministerin Ilse Aigner.

Immerhin beschäftigt Dallmeier heute knapp 250 Mitarbeiter und will weiter aufstocken. Rund zehn Prozent sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren schon dazukommen. Sollten sich wichtige Projekte besser entwickeln als erwartet, könnten es auch mehr werden, lässt der Firmenchef durchblicken.

Der Rundumblick machts

Genügend Expansionsfläche ist nun jedenfalls vorhanden, die Perspektiven seien ebenfalls gut. Dies liegt zu einem wesentlichen Teil an der patentierten Panomera-Kameratechnologie. Diese vor rund fünf Jahren in größerem Stil aufgelegte Eigenentwicklung vereint eine Vielzahl verschiedener Kameras in einem Gerät. So werden verschiedene Brennweiten gemischt und ein weites Panorama in voller Tiefe hochauflösend abgedeckt. Am Ende spare diese Lösung eine Menge Aufwand und Kosten. Bewährt hat sich das bei einer ganzen Reihe von Fußballstadien (u.a. Allianz-Arena München, Olympiastadion Berlin, Signal Iduna Park Dortmund, Goodison Park Liverpool) – und kommt auch im neuen Jahn-Stadion in Regensburg zum Einsatz. „Wir haben die meisten der 1.- und 2.-Liga-Stadien in Deutschland ausgerüstet“, sagt Dallmeier.

Es geht keineswegs nur um Überwachung, betont Dallmeier. Bei einem Stadion liegt der Schwerpunkt natürlich schon darauf, Straftäter zu identifizieren. Bei allen anderen Anwendungen sei Prozessoptimierung oder auch Beweiskraft entscheidend. Zunehmend beliefert Dallmeier Flughäfen. Mithilfe des Dallmeier-Equipments könnten dort ineffiziente Abläufe in der Logistik oder auch Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen entdeckt werden. Am Airport München ist Dallmeier vertreten, der Flughafen Kopenhagen wird demnächst ausgerüstet, Neapel hat gute Erfahrungen mit den Kameras gemacht.

Die Regensburger bauen immer mehr Kompetenzen intern auf. „Wir sind ein Exot in der Branche“, behauptet Dieter Dallmeier und erklärt, warum er sich zu Recht als Hidden Champion sieht. Inzwischen bewerkstelligt das Unternehmen 80 Prozent der Wertschöpfung im eigenen Haus. Entwicklung von Soft- und Hardware, dazu die Endfertigung geschehen in Regensburg. Die Zulieferer sitzen bis auf wenige Ausnahmen im Umkreis von 100 Kilometern.

Hat Dallmeier mithin also alles im Griff und im Blick? Vielleicht sogar zu viel – sprich ist das Unternehmen ein williger Helfer von „Big Brother“? Auf keinen Fall, sagt der Firmengründer. Er nimmt für sich in Anspruch zu wissen, wie man Daten schützen oder auch missbrauchen kann.

Falsche Vorstellungen von Überwachung

Die Systeme funktionierten ganz anders, als man sich das gemeinhin vorstelle. Beispiel Fußball: Es sitze niemand mehr hinter einem Bildschirm und beobachte die Szenerie. „Geschaut wird erst, wenn etwas passiert ist.“ Nur dann werde gezielt das Ereignis betrachtet. Bilddaten würden auch nicht sehr lange gespeichert. Viel zu teuer und es braucht niemand, winkt Dallmeier ab. Exporte (Dallmeier liefert zu 80 Prozent ins Ausland) seien reglementiert. Despoten sollen nicht mit Dallmeier-Technik Oppositionelle dingfest machen können.

„Die professionelle Video-Sicherheitstechnik ist nicht das Problem“, meint Dallmeier mit Blick auf Datenschutz und Verletzung der Privatsphäre. Für viel bedenklicher hält er die Bemühungen vor allem des Silicon Valley, das Privatleben der Menschen auszuforschen. Eine Techologie wie Google Glass sollte seiner Meinung nach verboten werden. All die Rückschlüsse, die die Aktivitäten in den Sozialen Medien zulassen und die auch von den Firmen wie Google, Facebook oder Apple genutzt würden – das sei Wildwuchs und hochgradig bedenklich. Dallmeiers Kunden säßen eher auf der entgegengesetzten Seite. Sie wollten gerade nicht, dass Google und Co. zu viel über sie erfahren.

Die Nachfolge ist klar

Hellwach sollten die Verbraucher sein. Hellwach bleiben muss auch Dieter Dallmeier, um die sich immer schneller drehende Spirale der technologischen Entwicklung verfolgen und an ihrer Spitze stehen zu können. Angebote gebe es ständig, ihm diese Last abzunehmen und die Firma zu kaufen. Aber für Dieter Dallmeier ist das Geschäft keine Last, das Entwickeln noch viel weniger. Und doch bereitet er sich und das Unternehmen auf eine Zukunft nach ihm vor – als selbstständige Firma. 60 Jahre ist er jetzt alt. Zehn weitere Jahre möchte er noch gerne mitmischen, so ungefähr. Sein 34-jähriger Sohn Thomas bewegt sich längst im Unternehmen, ist derzeit für den schwierigen US-Markt zuständig. Er soll Dallmeier Electronic dereinst übernehmen. Ein bisschen Geduld braucht er jedoch. „Ich habe noch genügend Power und jeden Tag Spaß daran, hier hereinzugehen“, sagt sein Vater. Und jetzt das – eigene – Gebäude. „Wir mögen es, es ist uns ans Herz gewachsen“, spricht Dieter Dallmeier für sich und die Mitarbeiter. Hört sich nicht nach baldigem Abschied an.

Fertigung bei Dallmeier in Regensburg -Foto: Dallmeier

Der Blick auf das Gebäude von der den Gleisen zugewandten Seite. Der Fotoausschnitt zeigt nicht alles, das Gebäude ist nach links nochmal so lang. -Foto: Dallmeier

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